04.06-23.07.2003
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Einfach die Segel setzen und los geht es zu neuen
Ufern
Doch so einfach ist das nicht und es gehört einige
Vorbereitungsarbeit dazu, wenn man sich das Leben unterwegs auf dem
Wasser erleichtern will. |
Wir füllen alle Vorratsbehälter, die
für den täglichen Gebrauch gedacht sind, aus den grossen
Behältern nach: Mais, Zucker, Mehl, Flöckli und natürlich
die Snack-Box. Auch werden alle grossen Fässer so gedreht, dass
der Deckel geöffnet werden kann, ohne das Sicherungstau lösen
zu müssen. Wir haben alles an Bord so festgezurrt, dass die Dinge
auch bei Seegang an ihrem Ort bleiben. |
Wir vermuten, dass wir in den ersten Tagen auf
dem Meer nicht die Lust dazu verspüren, lange in der Pantry zu
stehen. Darum füllen wir alle Thermoskrüge mit heissem Wasser
und backen frisches Brot. |
Auch die Kinder haben ihre Aufgaben, wenn es darum
geht das Schiff für eine Überfahrt vorzubereiten. Sie räumen
all ihre Spielsachen und Bücher weg, damit diese unterwegs keinen
Schaden nehmen. Es ist immer wieder erstaunlich, was sich da überall
finden lässt. Und oft ist ein Ausruf der Freude zu vernehmen,
wenn ein lange gesuchter Gegenstand plötzlich wieder zum Vorschein
kommt
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Auch an Deck gibt es einige Arbeiten zu verrichten.
Die drei Vorsegel werden angeschlagen (Genua, Fock, und Sturmfock).
Die Fallen werden vorbereitet, die Windselbststeueranlage eingerichtet
und das Walkerlog montiert. Und dann wollen auch noch alle losen Teile
irgendwo verstaut oder festgezurrt werden. Als letztes kommt das Beiboot
an Bord und wir sind bereit für die nächsten 1500 Seemeilen. |
Wir haben bis spät in die Nacht an unserem
gerissenen Gross-Segel gearbeitet, doch wir sind mit unserer Arbeit
sehr zu frieden. Die Abfahrt ist für den frühen Nachmittag
geplant und wir wollen den Morgen in aller Ruhe geniessen. |
Christoph, warum hat unser Brotsack plötzlich
ein Loch?" Ein Blick auf den beschädigten Sack bestätigt
meine Vermutung: Es sind die Beissspuren einer Maus oder Ratte! Wir
sind vor Anker und haben plötzlich ein solches Tier an Bord.
Bei mir läuten die Alarmglocken. Wie haben wir dieses Tier an
Bord geschafft? Was ist zu tun? Wir haben keine Mittel an Bord, um
diesen unliebsamen Gast zu bekämpfen und die goldige Mausefalle
vom Grossätti ist fast 9000 Seemeilen weit weg. Wenn wir das
Tier nicht loswerden, wird es sich an unseren Lebensmitteln vergreifen
und wenn es keine mehr findet die elektrischen Leitungen anknabbern. |
Ob die Belegschaft von NCL uns eine Mausefalle
geben kann? Ein Versuch ist es wert und da das Dingi schon an Bord
verstaut ist, schwimme ich an Land. Warum muss eine Abfahrt immer
mit einem Sportprogramm verbunden sein
? Von Boby herhalte ich
tatsächlich eine Mausefalle und auch noch ein paar Päcklein
Gift. Das widerstrebt mir zwar, doch wir haben keine andere Wahl.
An Bord gibt es unendlich viele Orte, wo sich das Tier verstecken
und verkriechen kann. |
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Tabuaeran ist hinter dem Horizont verschwunden
und es umgibt uns einmal mehr die riesige Wasserwüste des Pazifik.
Wir sind alleine. |
Der Passatwind aus Ost-Süd-Ost bläst
konstant mit 20 bis 25 Knoten Geschwindigkeit und schiebt unser Schiff
mit bis zu 6 Knoten durch das tiefblaue Wasser. Wir kommen gut voran
und wir geniessen das schöne, angenehme Segeln. Das Walkerlog
zeigt uns die zurückgelegte Strecke an. Wir machen bis zu 140sm
in 24 Stunden, was für PANGAEA ein sehr gutes Etmal ist. |
Das Walkerlog ist eine geniale Erfindung und schon
mehr als 200 Jahre alt. An einem langen Tau wird ein Propeller nachgeschleppt,
der sich mit der Fahrbewegung des Schiffes zu drehen beginnt. Das
Tau überträgt die Drehbewegung auf das eigentliche Log,
wo dann die zurückgelegte Strecke wie an einer Uhr abgelesen
werden kann. Unaufhörlich drehen sich die zwei Zeiger. |
Ein grosser Graben muss demnächst im Wasser
zu sehen sein und es muss mächtig rumpeln, wenn wir dort durchfahren:
Wir meinen natürlich den Äquator 0°N/0°S. Doch die
Überquerung dieser magischen Linie verschläft die ganze
Besatzung. Nur der Skipper ist wach und sucht vergeblich nach dem
Graben oder der breiten, weissen Linie auf dem Wasser. Jetzt sind
wir auf der Südhalbkugel unserer Erde. Sina ist die einzige,
welche die Überquerung des Äquators zu würdigen weiss.
Genau an diesem Tag strahlt ihr erster Zahn aus ihrem sonst noch zahnlosen
Mund. |
Wir stehen nicht mehr selber am Steuer. Die elektrische
Selbststeueranlgage oder die Windfahnensteuerung übernimmt diese
Aufgabe. Unsere Seemännische Aufgabe beschränkt sich hiermit
im Ausschau halten nach anderen Schiffen. |
Das ist auch die einzige Aufgabe, die wir während
der langen Nachtwachen zu erledigen haben. Das ist ganz schön
einschläfernd und so fallen mir immer wieder die Augen zu. Ein
spannendes Buch zu lesen hilft, um wach zu bleiben. Doch kaum ist
das Buch zur Seite gelegt und die Lampe ausgelöscht, werden die
Augen wieder schwer. Nur einen kurzen Moment hinlegen und schon bin
ich eingeschlafen. Was war das für ein Geräusch? Ich schrecke
aus dem Schlaf hoch und suche rundum den Horizont ab. Nichts ist zu
sehen, nur die Sterne funkeln am Himmel und der Mond verwandelt das
Wasser in einen silbrigen Tiegel. Die Lichter eines anderen Schiffes
sind nicht zu sehen. |
Doch was war das für ein Geräusch? Es
hört sich wie das Quietschen der Selbststeueranlage an, doch
diese ist es nicht. Dann endlich erkenne ich, was der Auslöser
dieses Geräusches ist: Es sind Seevögel, die unser Schiff
immer wieder begleiten. Woher kommen diese Vögel? Das nächste
Land ist doch mehrere 100 Seemeilen von uns entfernt? Von Tabuaeran
bis zum Suvarov Atoll ist doch gar kein Land, keine andere Insel zu
finden? |
Ein Blick in die Seekarte belehrt mich eines besseren.
Es gibt da schon noch andere Inseln zu finden: Wairuna Shoal, Rakahanga
und Manihiki. Ich nehme eines unseren Seehandbücher zur Hand
(Sailing Directions, Pacific Islands) und lese nach, was über
das Wairuna Shoal darin zu finden ist: |
Wairuna Shoal (5°12'S, 162°01'W),
which may not exist, was reported (1915) as a dangerous braking reef.
This position is about 300 miles NNW of Rakahanga Atoll. |
Ob diese Untiefe wirklich existiert oder nicht,
haben wir nicht herausgefunden. In einem grossen Abstand passieren
wir die Stelle, die in den Seekarten angegeben ist. Ich staune ab
der Angabe im Seehandbuch. In unserer modernen Zeit, wo wir Menschen
alles zu wissen scheinen, ist nicht bekannt, ob diese Untiefe wirklich
existiert. Das Meer hat immer noch viele verborgene Geheimnisse. |
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Unser Cockpit hat unterwegs die verschiedensten
Gesichter und wird für alle möglichen Tätigkeiten gebraucht.
Die meiste Zeit des Tages verbringen wir an diesem geschützten
Ort. Hier wird Wäsche gewaschen, gemalen, Geschichten erzählt,
Hängematten aufgehängt, geschlafen, gegessen, die Segel
hochgezogen und die Schoten verstellt. |
Ab all diesen Tätigkeiten vergessen wir manchmal
fast, von Zeit zu Zeit einen Blick über die Reeling zu werfen.
Denn auch ausserhalb des Schiffes spielen sich ein paar wichtige Dinge
ab: Das Wetter und der Seegang. |
Immer wieder kommt eine schwarze Wand auf uns
zu. Zieht sie vor uns durch oder sind wir schneller? Oder werden wir
mitten durch segeln? Eine solche schwarze Wand ist immer mit Regen
und zum Teil mit sehr starken Winden verbunden. Wir haben gelernt,
schon frühzeitig die Segelfläche zu verringern, noch bevor
der Regen und der starke Wind überhaupt einsetzten. Doch manchmal
sind wir zu langsam und dann wird es bei der Arbeit mit den Segeln
nass. |
Bevor ich auch nur einen Schritt aus dem Cockpit
mache, um auf dem Vordeck an den Segeln zu arbeiten, ziehe ich mir
meine Rettungsweste an. An diese hake ich den Lifebelt, ein mit drei
Karabinerhaken bestücktes starkes etwa drei Meter langes Gurtband.
Vom Heck bis zum Bug haben wir zwei Sicherheitsleinen gespannt, in
welche ich nun meinen Lifebelt einhaken kann. Auf diese Weise bin
ich jederzeit mit dem Schiff verbunden. Eine grosse Welle kann jederzeit
dem Schiff einen Schlag versetzen und wenn ich in diesem Moment beide
Hände für die Segel gebrauche, kann ich mich nirgends am
Schiff festhalten und würde über Bord gespült. Der
Lifebelt ist meine dritte Hand, die sich immer am Schiff festhält. |
So gesichert begebe ich mich auf das tanzende,
schaukelnde und nasse Vordeck. Susan und Anina bedienen die Fallen.
Sobald ich in Position bin, lösen sie das Tau und die grosse
Genua rauscht herunter. Der Wind zerrt mit unglaublicher Kraft an
dem schweren Tuch und es braucht all meine Kräfte, um das Segel
an Deck zu ziehen. Ich sichere das Segel an der Reeling, bereit für
den nächsten Einsatz mit weniger Wind. Nun wechsle ich alle Taue
(Schoten und Fallen) von der Genua zur kleineren Fock. Ist alles bereit
gebe ich Susan und Anina im Cockpit ein Zeichen und mit vereinten
Kräften ziehen sie das Segel in die Höhe. Das ist ein gutes
Training für die Oberarmmuskeln. Ich achte am Bug darauf, dass
das Segel nirgends einhakt und dadurch einen Riss bekommt. |
Ich fühle mich wie auf der grossen Piratenschaukel
am Jahrmarkt. Der Bug von PANGAEA steigt in die Höhe und ist
mehrere Meter über der Wasseroberfläche. Im nächsten
Moment saust er wieder herunter und klatscht auf die Wellen, dass
das Wasser auf alle Seiten spritzt und das Deck mit Wasser überflutet
wird. Ich bin nass
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Sieht es nach gar viel Wind aus, verkleinern wir
auch noch die Segelfläche des Gross-Segels. Zu diesem Zweck ist
das Segel mit starken Ösen versehen, welche am Baum festgemacht
werden können. |
Nach einer Viertelstunde sitze ich wieder im Cockpit.
Und wo bleibt nun der Regen? Die schwarze Wand war schneller und zieht
vor uns vorbei. Also können wir die Segelfläche wieder vergrössern
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Bei jedem Segelwechsel kontrolliere ich unsere
Segel. Wir wissen, dass die Segel von PANGAEA alt sind und so entstehen
immer wieder Risse, die wir reparieren müssen. Ein besonderes
Augenmerk gilt natürlich unserem Flick im Gross-Segel. Hält
unsere Reparatur? Ja, dafür löst sich unser Sonnenverdeck
über dem Cockpit immer mehr auf. Die starke Sonnenstrahlung,
Wind und Wetter haben den Stoff brüchig gemacht. Jeder Flick
hält nur kurze Zeit und schon reisst der Stoff wieder. Am nächsten
Ankerplatz wird sicher das Nähatelier eröffnet. |
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Was macht man eigentlich so lange auf so
engem Raum mit zwei quietsch lebendigen Mädchen und einem Baby?
Wird es den Kindern nicht langweilig? |
Anina und Noemi halten sich im ganzen Schiff auf.
Es gibt keinen Ort, wo sie nicht zu finden wären. Das Geschaukel
macht ihnen überhaupt nichts aus und sie können Stunden
lang unter Deck bleiben und spielen. Da wird plötzlich aus einem
Kleiderbügel eine Säge und alle Holzteile werden zersägt.
Im nächsten Moment ist der Kleiderbügel wieder ein Kleiderbügel
und die feuchten Kleider werden zum auslüften aufgehängt.
Und dann kann der gleiche Bügel doch auch als Trommelschläger
benutzt werden. Und was ist die Trommel? Eine grosse, umgedrehte Blechbüchse
tönt am schönsten und vor allem am lautesten
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Ein Stück Tuch wird zur Hängematte für
die Puppenkinder. Ob da Sina auch drin Platz hat? Versuchen wir es
doch einmal. Und tatsächlich schläft unsere Jüngste
schon nach kurzer Zeit in der für die Puppenkinder gedachten
Hängematte im Cockpit. Der Stoff kann überall aufgehängt
werden und sogar im Salon finden sich zwei Pfosten, die den richtigen
Abstand haben. |
Plastiksäcke zu füllen ist eine Freude.
Anina und Noemi sind Weltmeister darin. Von den kleinsten Säcklein
bis zum grössten Sack füllen sie jede Tasche. Erstaunlich,
was da alles drin Platz findet: Topflappen, Besteck, Zmorgeschüssel,
Werkzeug, Farbstifte, und vor allem Dinge, die Mama und Papa nachher
vermissen. Die gefüllten Taschen gehen dann auf Wanderschaft.
In der Bugkoje werden noch ein paar Bilderbücher eingepackt und
in der Heckkoje, auf dem Bett von Papa, wird alles wieder ausgelegt.
Wow, das alles haben wir eingekauft! |
Die liebste Beschäftigung ist zur Zeit aber
Sina. Die kleine Dame wird von Anina und Noemi so richtig verwöhnt
und gehätschelt. Schoppen geben, Geschichten erzählen, zum
Sitzen aufrichten, und, und. Sina muss sich sehr viel gefallen lassen
und sie lässt es auch zu. Auch Anina und Noemi müssen einiges
einstecken, da Sina nach allem greift, was ihr in die Nähe kommt.
Besonders die Haare sind da ganz beliebt. |
Unsere Kinder können sich also sehr gut selber
beschäftigen. Doch sie lieben es, von uns Geschichten und Fingerverse
erzählt zu bekommen, gemeinsam zu malen, zu töpfern und
zu basteln. |
Wenn die Wellen PANGAEA all zu arg zum schaukeln
bringen, dann gibt es unser Wellen-Verschick-Spiel. Die grössten
Brecher schicken wir per Luftpost zu Euch nach haus, aber wirklich
nur die aller höchsten. Lange schauen wir den Wellen nach. Wann
werden sie wohl bei Euch ankommen? |
Jedes Spiel und jede Arbeit strengen an und machen
hungrig. Also steigen wir in die Pantry im Bauch der PANGAEA. Von
der NCL-Belegschaft haben wir einige Frischprodukte erhalten: Rüebli,
Tomaten, Peperoni und Sellerie. Von einer Familie erhielten wir sogar
einen riesigen Kürbis. All diese Sachen verwandeln sich unter
den Händen von Susan immer wieder in feine Gerichte. |
Das Kochen ist aber nicht sehr einfach auf unserem
schaukelnden Schiff. Um heisses Wasser zu kochen, nehmen wir den Dampfkochtopf,
den wir mit dem Deckel dicht verschliessen können. Wir demontieren
einfach das Ventil, damit sich kein Druck aufbaut. Auf diese Weise
bleibt das Wasser in der Pfanne und verteilt sich nicht im ganzen
Schiff. Auch unsere normalen Trinkbecher und Porzellantassen haben
wir verstaut. Bei Seegang sind sie unbrauchbar. An ihre Stelle sind
verschliessbare Tassen und Trinkflaschen getreten. Manchmal braucht
es grosse Überwindung, um in die Pantry zu steigen und das flaue
Gefühl im Magen treibt einem immer wieder ins Cockpit. |
Bichermüessli ist eines unserer wichtigsten
Gerichte. Es ist schnell zubereitet und der Herd muss nicht angeworfen
werden. Doch bei jedem Apfel, den wir aus unserem grossen Netz nehmen,
werden wir an unseren Blinden Passagier erinnert. Immer wieder entdecken
wir Fressspuren an den Früchten. |
Die Mausefalle wird ausgelegt. Als Köder
verwenden wir Erdnussbutter. Das wurde uns vom Tauchinstruktor auf
Tabuaeran empfohlen. Doch nach zwei Tagen ist die Maus immer noch
nicht in die Falle gegangen. Ob wir wirklich ein solches Tier an Bord
haben? Ja, denn immer wieder verschwinden Dinge aus unserem Kompostkübel
und wir finden in der Pantry Kotspuren. Wir vermengen die Abfälle
im Kompostkübel mit den Giftkörnern. Am nächsten Morgen
sind alle Körner weg. Und jetzt? Zwei Tage später finden
wir immer noch frische Fressspuren an unseren Früchten. Hat das
Gift nicht gewirkt? |
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Sieben Tage sind wir nun schon bei bestem Wind
und schönstem Wetter unterwegs. Nun schläft der Wind ein.
Das Meer liegt spiegelglatt vor uns. Die Segel hängen schlaff
herunter und PANGAEA macht praktisch keine Fahrt mehr. Jetzt könnten
wir doch den Motor benutzen. Nein, es widerstrebt uns diese einmalige
Stille mit unserem Motor zu stören. Wir haben Zeit und sind nicht
in Eile. Und so geniessen wir die Ruhe und Stille mitten auf dem Pazifik.
Meine Gedanken gehen in die hektische Zeit von Hawaii und in Europa
zurück und die Frage stellt sich mir, was eigentlich Zeit ist. |
Zeit: Es ist geradezu märchenhaft, dass
die Datumslinie als Koordinate exakter Wissenschaft ausgerechnet den
Stillen Ozean schneidet und damit jeder Tag im Pazifik beginnt. Schneller
und schneller werdend reist der Tag um die Welt. In Europa gerät
er in Eile, in Amerika ausser Atem. Schliesslich taucht er zum grossen
Reinigungsbad zurück in den Pazifik, um sich, etwa bei den leeren
Phoenix-Atollen, frisch, ermuntert, sauber und majestätisch neu
zu erheben. Als ein neuer Tag zu einer neuen Rund. |
Hier, wo wir uns gerade befinden, beginnt also
jeder neue Tag. Ein erhabenes Gefühl. |
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Zwei Tage dauert die Flaute, dann kommt wieder
eine schöne Brise auf. Bereits ist auch wieder die erste dunkle
Regenwand zu sehen. Wir wechseln vorsichtshalber die Genua gegen die
Fock aus und bergen das Besansegel. Das Gross lassen wir mit einem
Reff stehen. Die vergangenen Regenfronten waren immer von kurzer Dauer
und der Wind flaute immer schnell wieder ab. Ich bin einfach zu müde,
um vor und nach jeder Regenwand nach Vorne zu eilen und die Segel
zu wechseln. |
Doch dieses Mal scheint alles anders zu sein.
Der Regen hört nicht mehr auf, der Wind lässt nicht nach.
Das zuvor spiegelglatte Meer wird immer wilder und die Wellen immer
höher. Der Aufenthalt im Cockpit ist nass und unangenehm. Auch
unter Deck ist es nicht mehr so gemütlich. Da wir keine Luke
öffnen können, wird es extrem warm und feucht. Unsere Stimmung
leidet darunter und vor allem die Kinder bekommen das zu spüren. |
An meinem Bein und an den Füssen klaffen
einige eitrige Wunden, die ich mir bereits in Tabuaeran zugezogen
habe. Bei Susan sehen die Beine noch viel schlimmer aus. Eine Wunde
reiht sich an die andere und immer neue entstehen. Zuerst sehen die
Stellen wie eine kleine Akne aus. Dann werden sie immer grösser
und eitrig. Diese Wunden sind sehr schmerzhaft und schon die kleinste
Berührung lässt uns aufzucken. |
Wir konsultieren unser Medizinbuch und versuchen
herauszufinden, was mit uns los ist. Wir werden fündig: Furunkel,
Karbunkel, Abszesse. Es handelt sich dabei um eine bakterielle Infektion.
Nun erinnern wir uns auch an die Hautauschläge der Einheimischen
auf Tabuaeran. Genau so haben diese ausgesehen. Was können wir
dagegen tun? Wir versuchen alles Erdenkliche, doch nichts hilft. Bei
starkem Befall wird der Einsatz von Antibiotika empfohlen. Wir haben
ein solches Mittel an Bord, doch es ist ein sehr starkes Mittel und
wirklich nur als Notfall-Medikament gedacht. Vor allem bei Susan wäre
ein Einsatz nötig. Da sie Sina aber immer noch stillt, will sie
das Mittel aus diesem Grund nicht einnehmen. Bei mir ist der Befall
noch nicht so stark und der Einsatz von Antibiotika nicht gerechtfertigt.
Und so versuchen wir mit Verbänden und Salbe unsere Wunden zu
versorgen. |
Ich sitze gerade im Cockpit, um mal wieder einen
heftigen Regenschauer über mich ergehen zu lassen, als es einen
lauten Knall gibt. Was ist geschehen? Ein Blick zum Gross-Segel gibt
mir die Anwort: Es ist an zwei Stellen gerissen und die Risse sind
über zwei Meter lang
Unbrauchbar also. Doch die Risse sind
zwischen dem ersten und zweiten Reff und so können wir das Gross
mit zwei eingebundenen Reffs doch noch benutzen. Eigentlich hätten
wir das zweite Reff schon lange einbinden sollen. Doch unsere Müdigkeit
und unsere Schmerzen haben unsere Aktivitäten auf ein Minimum
reduziert. |
Die Feuchtigkeit und auch der Gestank im Bauch
der PANGAEA wird langsam aber sicher unerträglich. Woher kommt
der Gestank? Wir haben da unsere Vermutung, denn seit ein paar Tagen
haben wir keine neue Fressspuren mehr entdeckt. Die Maus wird also
irgendwo tot in unseren Sachen liegen und diesen Gestank verbreiten.
Die Bugkoje haben wir schon vor ein paar Tagen hermetisch verschlossen,
da ich die Maus bei einem ersten Räumungsversuch noch lebend
darin gesehen habe. Beim jetzigen Wetter und Seegang ist das Ausräumen
der Bugkoje aber nicht angebracht. |
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Unser nächstes Ziel wäre das Suvarov
Atoll gewesen. 70 Seemeilen sind wir noch davon entfernt, doch bei
den im Moment herrschenden Wetter- und Seeverhältnissen könnten
wir gar nicht in die Lagune einfahren. Wir entscheiden uns schweren
Herzens auf dieses Atoll zu verzichten und direkt nach Pago Pago zu
segeln. |
Endlich, nach über vier Tagen verziehen sich
die gröbsten Regenwolken und die Sonne scheint wieder. Nachdem
wir sicher sind, dass es nicht gleich wieder aus allen Kübeln
zu giessen beginnt, machen wir uns daran die Bugkoje auszuräumen.
Alle Luken werden aufgerissen und alles Material an Deck gehievt.
Jetzt soll einfach keine Welle auf die Idee kommen zu uns an Bord
zu steigen. Im letzten Stauraum finden wir die kleine"
Maus und schaffen sie von Bord. Es stinkt fürchterlich und es
braucht sehr viel Überwindung, alles zu reinigen, muss ich den
Kopf doch tief ins Loch stecken
Von jetzt an werde ich alle
Sachen noch genauer untersuchen, bevor ich sie an Bord nehme. |
Leider haben unsere Verbände und unsere Salbe
keine Linderung unserer Wunden gebracht. Wir haben nur noch einen
Wunsch: So schnell wie möglich in Pago Pago ankommen. |
Nach 17 Tagen auf See ist es dann endlich so weit.
Am Montag 21. Juni um 10:00 Uhr legen wir am Quarantänensteg
an. Leider dauert das Einklarieren über 24 Stunden. Fünf
offizielle Stellen müssen bei uns vorbeikommen: Immigration,
Health Department, Agriculture, Customs und Harbor Control. Leider
erscheint der Zoll nicht bei uns. Auch auf mehrmaliges Nachfragen
bei Harbor Control erscheint niemand bei uns an Bord. Schlussendlich
dürfen wir doch an Land und ich gehe beim Zoll persönlich
vorbei. Endlich dürfen wir an Land! |
Craig von der Ketch KIPONA (wir haben sie auf
Tabuaeran kennengelernt) begleitet uns in den Spital von American
Samoa. Hier erhalten wir fachkundige und gute Betreuung. Die Wunden
von Susan werden gereinigt und verbunden und sie bekommt ein für
Sina unbedenkliches Antibiotika. |
Die Behandlung hat übrigens 15 US$ und die
Medikamente 10 US$ gekostet... |
Und jetzt erholen wir uns erst einmal von den
Strapazen dieser Überfahrt. Maus, Infektion und Wetter haben
an unseren Nerven und Kräften gezehrt. |
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