27.09. - 02.10.2004
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Heftige Fallböen in der Bucht versprechen
guten Wind ausserhalb der schützenden Insel. Wir freuen uns auf
einen schnellen Schlag nach Cocos. Die Mooringleine ist gelöst
und wir tuckern mit Motorenkraft der Küste entlang in den Westen.
Ein ungewohntes Geräusch ist plötzlich aus dem Motorenraum
zu hören. Ein Blick auf die Spannungsanzeige verrät die
Ursache: Der Alternator lädt nicht mehr. Wahrscheinlich ist der
Keilriemen gerissen. Wir beschliessen in die ruhige Bucht zurück
zu kehren und dort den Schaden zu beheben. |
Eine Stunde nach unserer Abfahrt hängen wir
wieder an der Boje. Die Wärme des Motors lässt mir den Schweiss
aus den Poren schiessen. Der Defekt ist schnell erkannt. Nicht der
Keilriemen ist gerissen, sondern die Halteschraube des Alternator
ist gebrochen. Mehrere Ersatzschrauben sind an Bord und der Schaden
ist schnell behoben. Zwei Stunden später lösen wir zum zweiten
Mal die Mooringleine. Cocos wir kommen! |
Christmas Island liegt bereits drei Seemeilen
hinter uns. Die Windabdeckung der Insel haben wir eigentlich verlassen,
denn die Dünung des Ozeans hat uns bereits im Griff. Doch nur
ein lauer Windhauch bläht die Genua. Unendlich langsam schaukelt
PANGAEA vorwärts. |
Plötzlich tauchen neben der Insel zwei sich
schnell bewegende Punkte auf. Sie kommen direkt auf uns zu. Das müssen
die zwei Zollboote sein, die neben unserem Schiff im Flying Fish Cove
an einer Mooring hingen. Die Gedanken beginnen zu kreisen. Haben wir
etwas falsch gemacht, als wir die Insel verlassen haben? Beim Zoll
haben wir ordnungsgemäss ausklariert. Die Mooringgebühr
haben wir nicht direkt dem Hafenmeister bezahlt. Das muss es sein!
Wir hatten das Bezahlen unter der Woche schlicht vergessen. Das Geld
haben wir aber zwecks Weiterleitung der Familie Gray übergeben.
Was nun? |
Die Punkte werden immer grösser und kommen
schnell näher. Das erste Boot ist bereits neben uns. Jeder Platz
auf dem Schiff ist besetzt. Mindestens 20 Soldaten im Tarnanzug sitzen
festgeschnallt auf ihren Sitzen, die Augen mit einer Brille geschützt.
Wir winken der Besatzung verwirrt zu und bekommen den Gruss erwidert.
Das Boot überholt und umkreist uns, dann braust es in voller
Fahrt zurück zur Insel. Beim zweiten Schlauchboot verhält
es sich genau so: Winken, Umkreisen, Staunen und Verschwinden
Wir sind wieder alleine und fühlen uns wie die Rundungsboje in
einer Regatta. |
Eine erste dunkle Regenwand schiebt sich auf uns
zu und entleert sich genau über uns. Vom guten Wind, den wir
für eine schnelle Passage bräuchten, ist keine Spur zu sehen
oder zu fühlen. Klagen wollen wir aber nicht, denn ein wenig
Wind hat es und er bläst aus einer für uns günstigen
Richtung. Wenn nur nicht das viele Wasser von oben wäre. Das
zwingt uns nämlich alle Luken zu schliessen. Das Resultat ist
eine Sauna im Schiffsbauch mit sehr hoher Luftfeuchtigkeit! Dafür
wäscht der Regen den Phosphatstaub der vergangenen Woche weg.
Alle Taue, Klampen, Drahtseile, Masten, Segel, und, und, und sind
mit einer dicken, gelben Schicht überzogen. Gemütlich zieht
PANGAEA dahin. Das Kielwasser färbt sich gelblich vom abfliessenden
Regenwasser. |
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Regenschauer und Sonnenschein, Starkwind und Flauten
wechseln sich ab. In den ruhigen Momenten packen wir schon lange anstehende
Arbeiten an. Ich will versuchen mit einem neuen Antennendraht auf
den Frequenzen von Bern Radio eine bessere Abstrahlung zu erreichen.
Dafür muss ich aber in die enge Backskiste kriechen. Es ist schmal,
warm und schaukelt unangenehm. Der Versuch zeigt, dass der bestehende
Draht doch der bessere war. Also das ganze wieder zurück bauen
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Anina, Noemi und Sina sind fleissig damit beschäftigt,
Briefpapier und Briefumschläge zu gestalten. Mit ihren Zeichenstiften
verwandeln sie jedes weisse, langweilige Papier in ein farbiges Kunstwerk.
Für die Buchstaben auf den noch weissen Flächen sind dann
Mama und Papa zuständig. Susan hat es sich im Cockpit mit dem
kleinen Klapptisch bequem gemacht und der Kugelschreiber hüpft
geschwind über das Papier. Wann wird der nächste Regenguss
sie vertreiben? |
Wir sind bereits einige hundert Kilometer vom
Land entfernt. Trotzdem kreisen etliche grosse Seevögel um unser
Schiff. Sie unternehmen ständig Landeanflüge auf die Masten.
Es gelingt ihnen aber nicht, sich zu setzen, denn jedes Mal wenn sich
ihre Füsse kurz vor der Saling befinden, schaukelt alles davon.
Irgendwie gelingt es einem der Vögel trotzdem, eine Mitfahrgelegenheit
zu finden. Neben dem sich drehenden Windgenerator hat er sich auf
das Solarpaneel niedergelassen. Ausgiebig putzt er sich die Federn
und steckt danach seinen Kopf unter den Flügel. Das Tier scheint
mächtig erschöpft zu sein, denn es sitzt bereits mehr als
einen Tag in dieser Schlafstellung dort oben und lässt sich von
nichts und niemanden stören. Sein Körper wiegt sich exakt
im Takt der Schiffsbewegungen. Wir wollen dem Vogel eine kleine Stärkung
anbieten und sammeln die auf Deck gelandeten fliegenden Fische zusammen.
Dieser Annäherungsversuch wird ihm aber zu viel und er sucht
das Weite. Zurück lässt er seinen übel stinkenden Kot,
den er über die ganze Steuerbordseite der Badeplattform verteilt
hat. Wasser zum Waschen hat es ja genug. |
In der kommenden Nacht sollten die Ausbreitungsbedingungen
am Funk gut sein, um das über 11'000 Kilometer entfernte Bern
Radio erreichen zu können. Ich rufe die Schweizer Küstenfunkstelle
auf, bekomme aber keine Antwort. Ich lasse das Funkgerät eingeschaltet,
vielleicht höre ich Bern Radio mit einer anderen Station kommunizieren.
Plötzlich wird das Rauschen von einer Tonbandstimme unterbrochen:
Wir bedauern mitteilen zu müssen, dass Bern Radio nach
über 40 Betriebsjahren per 20.09.2004 den Betrieb der Radiotelefonie
eingestellt hat. Wir wünschen allzeit gute Fahrt und gute Kommunikation
über andere Stationen." Eine weitere Ära der Schweizer
Kurzwellengeschichte ist zu Ende, nachdem auch SRI (Swiss Radio International)
nur noch über das Internet zu hören" ist. Die
Schweiz im internationalen Äther verstummt und verschwindet
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Trotz der wechselhaften Winde und dem unbeständigen
Wetter kommen wir unserem Ziel immer näher. Das Timing scheint
dieses Mal genau aufzugehen. Am frühen Morgen sind wir noch 40
Seemeilen von Cocos entfernt. Wir bergen die kleine Fock und setzen
die grosse Genua um noch einmal die volle Geschwindigkeit von PANGAEA
auszureizen. Mit sechs Knoten und mehr rauscht sie durchs Wasser. |
Die ersten Palmwipfel sind über den Wellenbergen
zu erkennen. Von Backbord nähert sich eine dunkle, graue Wolke.
Wird sie uns treffen? Wir haben uns auf das Farbenspiel bei der Einfahrt
in die Lagune gefreut, aber die Regenwalze kennt keine Gnade und trifft
uns mit voller Wucht. Gerade in dem Moment, wo wir die Genua bergen
wollen erreichen uns die ersten Regentropfen und Windböen. Die
Inseln von Cocos verschwinden in einem undurchsichtigen Grau. |
Wir tasten uns den Seezeichen entlang in die äussere
Lagune. ALISSA liegt bereits vor Anker und gibt uns per Funk Anweisungen,
wie wir in die Innenlagune vor der Direction Island einfahren können.
Eine dunkle Stelle im Wasser zeigt auf dem Weg ein Korallenband an.
Ohne die Information über die Wassertiefe von ALIISA würde
ich mich nicht über diese Schwelle trauen. Ganz langsam nähern
wir uns dem Band. Der Grund scheint so nahe, dass wir sicher jeden
Moment aufsitzen werden. Das Tiefenmeter zeigt die Konturen an. Plötzlich
wird es seicht, doch mit drei Metern hat es mehr als genug Wasser.
Die Untiefe ist passiert. |
In diesem Moment bricht die Sonne durch die Wolken
und vor uns liegt die in türkis schimmernde Lagune. |
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